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EMF Sail Gavdos X

Bootskauf und erstes Segeln mit Gavdos X



...Das Wetter war ausgesprochen schön im Oktober, es war richtig heiß, ich aber hatte einen entsetzlichen Husten mit starken Schmerzen in der Brust. Ich konnte meinen linken Arm kaum bewegen, hatte Fieberschübe und war richtig krank. Ich ging sogar zum Arzt und zum Röntgen ins Krankenhaus - nichts Ernstes, wohl Nachwirkungen des Keuchhustens, den ich mit meinen Kindern mehr oder weniger stark abzuwettern hatte. Nach ein paar Tagen ging schon wieder mein Flug zurück. Ich gab noch eine Survey, ein Gutachten, in Auftrag und machte den Deal zwei Wochen später von Hamburg aus dann perfekt, wo ich - wieder genesen - für die YACHT Vorträge auf der Bootsmesse hielt.

Dort lernte ich den jungen Einhand-Atlantiküberquerer Johannes Erdmann kennen. Wir teilten uns die kleine Bühne und das Mikro am YACHT-Stand, erst war ich an der Reihe, stellte mein Buch vor und zeigte einiges zum Thema "Knoten und Spleißen". Dann kam Johannes, erzählte von seiner Reise von Lissabon über die Kanaren in die Karibik, die Bahamas und weiter bis in die USA. Neun Tage lang waren wir mit unseren Vorträgen für die YACHT auf der Hanseboot.
Eines Abends im Hotel führte ich dann den letzten und entscheidenden Anruf nach Annapolis und wurde mal wieder stolzer Eigner eines ganz besonderen Bootes. Johannes hatte meine letzten, lautstarken Verhandlungen durch die dünne Wand bis in sein Zimmer hören können. Ich klopfte an seine Tür: "Hast du Lust etwas essen zu gehen?, ich lad dich ein, ich habe gerade ein Boot gekauft...!" Zur Feier des Tages gingen wir in ein portugiesisches Lokal - war das unbewusste Vorahnung?


Heute ist Dienstag der 18. März 2008, es ist sechs Uhr früh, ich sitze am Münchner Flughafen im Cafe, habe bereits einen großen Karton und einen schweren Koffer über Paris nach Washington eingecheckt, alles Ausrüstung und warme Kleidung für das Boot und mich. Nach der Landung in den USA passierte ich die Immigration angenehm schnell, doch mein Koffer war in Paris hängengeblieben. Mit dem Mietwagen fuhr ich zum Boot. Ohne Schlafsack und ohne weitere Kleidung als die, die ich anhatte, hieß es eine frostige erste Nacht an Bord zu überstehen. Gleich am nächsten Tag kam das Boot per Travellift ins Wasser und auch mein verschollener Koffer wurde per Lieferservice bis an den Steg nachgebracht. Die Westsail liegt jetzt längsseits an Dock D. Ich räume, schaue, staune, lerne kennen, starte den Motor, schlage die Segel an, drehe das wirklich schwere Boot von Hand vom Dock aus um, als der Wind eine Pause macht und liege jetzt mit der Steuerbordseite an dem Holzsteg. Es ist eisig kalt, manchmal regnet es, der Wind ist böig mit bis zu 30 Knoten, doch als freitags die Sonne durchkommt geht es mir schon viel besser. Das Boot ist schön und ich turne herum. Ich bin abhängig vom Sonnenschein. Samstag bin ich immer noch in der Marina, denn gestern ließ sich der Motor wegen zu schwacher Batterien nicht mehr starten und ich konnte nicht vor Anker gehen. Heute treffe ich endlich Pat und Diane, die vorigen Eigner. Meine letzten Fragen zu ein paar mysteriösen Eigenheiten des Bootes konnte Pat auch nicht vollständig beantworten. Er ist wohl selbst weniger ein analytischer Hinterfrager als vielmehr ein Macher. Am späten Nachmittag kaufe ich noch Proviant und ein paar andere Utensilien und motore mit so weit als möglich wiederbelebten Batterien vor die Port Annapolis Marina und werfe den Anker.

Es ist ganz ruhig in dieser von weiteren Marinas und Wohnhäusern eingerahmten Bucht in der Back Creek. Der Wind ist weg, die Sonne gerade untergegangen.

Ich brate zwei schöne amerikanische Steaks in der frisch gekauften Pfanne, esse Brot, Chips und BBQ Sauce dazu mit einem Bier oder zwei. Alle Elektrik ist aus, um möglichst viel für den morgigen Motorstart aufzusparen. Das Boot liegt wie in Beton gesetzt im Wasser, es ist ganz still, der Vollmond geht auf. Später schlafe ich mit einem wachen Auge, schaue noch manchmal hinaus. Morgens bevor es hell wird kommt etwas Wind auf.

Sonntag 23. März 2008, Ostersonntag

Am Morgen hat es 0°C. an Bord. Der Motor startet mit Hilfe eines Kaltstart-Sprays. Ich hole den Anker auf. Der Tag begrüßt mich mit einer "Small Craft Advisory" über Funk. Wind bis 20 Knoten. Zuerst geht es unter Motor aus der Back Creek, bei Thomas Light rolle ich den Yankee aus. Es hat 5 Bft., alles mit Schaumkronen auf dem graugrünen Wasser. Kurze Wellen. Ich segle auf der Chesapeake Bay!

Der Plan ist, in zwei Tagen Deltaville in Virginia zu erreichen. Heute soll es bis Solomons Island gehen. Es ist immer noch eisig kalt, doch der Himmel ist klar und langsam gewinnt die Sonne etwas an Kraft. Kein anderes Boot ist zu sehen, ganz allein geht es dahin. Etwas später kupple ich die Monitor Selbststeueranlage ein. Fantastisch! Ich koche mir vier Rühreier, Brot dazu und einen kleinen Schluck Whisky - natürlich nur zum "Aufwärmen". Ab 11 Uhr schwächt der Wind ab, ich setze das Groß. Ich bin mitten in der Bay. Ein kleiner Schleppverband, dann ein Frachter kommen uns entgegen. Als ich nachmittags dem Cove Point immer näher komme geht die Fahrt vor dem Wind auf 2 Knoten runter. Wir biegen in den Patuxent River und laufen bei Solomons Island ein. Dort, gleich an der kleinen dreieckigen Insel, fällt der Anker. Ich ruhe mich aus bis die Sonne untergeht, döse etwas im Cockpit, dann gehe ich unter Deck und koche eine Pasta. Das Olivenöl ist hartgefroren. Draußen ist es ganz ruhig, rings um uns funkeln sehr schön die Lichter der Häuser und über uns die Sterne. Es ist idyllisch, aber man sieht niemanden.

24.3.2008, Ostermontag

Kurz nach halb sieben ist der Anker an Deck und ich motore hinaus durch die Passage vor Solomons Island und weiter aus dem Patuxent River in die Bay um Cedar Point und dann südlich auf Point No Point zu. Der achterliche Wind ist kräftig genug, ich setze Groß und Yankee, stoppe den Motor. Wir kommen ganz gut voran und nehmen Kurs auf Smith Point auf der südlichen Seite der Potomac Mündung. Der Fluss ist hier ungefähr 10 km breit. Gegen halb eins ist Smith Point querab und es geht weiter zum Windmill Point. Die Küsten sind so flach und der heutige Tag ist grau, an Backbord ist kein Land zu sehen, an Steuerbord bestenfalls ein dünner, diffuser Streifen. Das Wasser ist ebenfalls grau. Ich baume den Yankee aus und segle Wing on Wing. Die Monitor ist eingekuppelt. Noch vor Erreichen des Windmill Point legt der Wind auf 20 Knoten zu. Ich reffe das Groß, rolle das Vorsegel ein. Als ich um den Windmill Point herum in den Rappahanock River einbiege, starte ich den Motor. Eine knappe Meile nördlich der ersten Boje zur Passage in den Broad Creek drehe ich in den Wind, nehme das Groß herunter, mache die Fender klar und tuckere problemlos bis an den kleinen Holzsteg vor Shroeder's Yacht Systems, meinem Ziel.

 
Am Abend koche ich ein spärliches Essen an Bord, der Ort ist ein paar Meilen entfernt, hier wo ich bin, liegen nur hunderte von Booten. Einige Häuser, jedes mit einem Bootsschuppen größer als das Haus selbst, säumen die Seite zur Bay hin. Schöne Bäume und große, grüne Flächen geben der ganzen Umgebung ein Gefühl von Weite und Ruhe.
Abends, als es dunkel wird, ist es unter Deck mit den Courtesy Lights, dieser gedämpften, indirekten Beleuchtung über dem Boden und unter den bronzenen Bullaugen zusammen mit der Petroleumlampe ein wunderschöner Anblick. Hier spielt dieses Boot eine Menge Pluspunkte aus, hier ist alles sehr geschmackvoll gemacht und wahnsinnig gemütlich.

Nächsten Tag ist es wolkenlos, die Sonne scheint und wärmt, die Luft ist kristallklar. Ich erkunde die Gegend, sitze im Cockpit, hole den schweren Windgenerator von seiner Stange. Er muss in die Reparatur. Später kommt, wie verabredet, Bernie, der als Yachtmakler den Bootskauf abgewickelt hatte. Er erledigt hier noch letzte Kleinigkeiten an einem Bristol Channel Cutter. Diese unübertroffen hochwertig gebauten, gerne 250.000 Dollar teuren, absolut wertstabilen und 28 Fuß kleinen Boote sind sein Spezialgebiet als Makler, niemand vermittelt oder verkauft auch nur annähernd so viele BCCs wie der gute Bernie. Seit ich ihn letztes Jahr im Herbst kennenlernte sind wir uns zeitweise schon ganz schön auf die Nerven gegangen, doch mittlerweile hat sich trotz unserer Gegensätzlichkeit eine Art Freundschaft entwickelt. "Dieser BCC hier wird nächste Woche per Dockwise Yachttransport nach Dänemark verschifft", erzählt Bernie. Der neue Eigner hat auch noch ein Flugticket für Bernie geschickt, er möchte, dass Bernie den gesamten Transport abwickelt, das Boot bis vor sein Haus überstellt und ihm die nächsten zwei Wochen Privat-Segelunterricht erteilt, denn gesegelt ist der neue Eigner in seinem Leben noch so gut wie nie! Money talks...


Nachmittags fahren wir mit dem Auto los, Richtung Annapolis. Unterwegs schlägt Bernie vor, auf ein paar "Wings" anzuhalten und wir sitzen - zum Glück nicht ohne Sarkasmus - bei "Hooters" an der Bar. (Bei Hooters bedienen nur besonders vollbusige "girls" in hautengen hotpants und noch engeren Oberteilen, doch den größten Angriff auf guten Geschmack stellt das Essen dar...). Hühnerflügel, so groß wie sie eigentlich nur aufgespritzte oder sonstwie gedopte Geflügel-Mutanten produzieren können, liegen in einer entsetzlich scharf brennenden Sauce vor uns.


Gegen 6 Uhr setzt Bernie mich bei meinem Auto in Port Annapolis Marina ab und ich mache mich sogleich auf den Rückweg. In dunkler Nacht fahre ich auf leergefegten Straßen durch Virginia, was ein ungutes Gefühl hervorrufen kann, wenn die Gedanken an Amerika-typischen Horrorstories hängen bleiben. Letztendlich finde ich bis zum Boot zurück, stelle die wundersamen Lichter unter Deck an und dazu Sades "Lover's Rock". Ich sitze am Salontisch und schreibe, hoffe, dass all diese verrückten Aktionen einen Sinn ergeben.



26.3.2008

Das Wetter ist unglaublich, die Sonne scheint und es ist richtig warm. Vergessen sind die eisigen Tage in Annapolis, als ich mich im Auto bei voll aufgedrehter Heizung noch am wohlsten fühlte. Vom Dingi aus entferne ich den alten Bootsnamen vom Rumpf.
Am Morgen des nächsten Tages bringe ich den neuen Namen an, was auch gut gelingt. Gleich paddle ich mit dem Dingi etwas ins Fahrwasser um mein Boot von weiter weg zu betrachten:


Gavdos X  (die zehnte)

Bis jetzt die größte, mit Abstand die schwerste, der erste richtige Kutter, der erste Doppelender (wenn ich von meiner "Mer" einmal absehe). Zum ersten Mal: Radar, Windgenerator, Kurzwelle, Fernseher, Inverter und Staubsauger! - Und mit Sicherheit die schönste unter Deck, höchstens Gavdos VI könnte mithalten.
Ich mache Fotos, schlage dann die Segel ab, muss dazu in den Mast, denn der Yankee will nicht runterkommen. Hoch geht es mit Klettergurt und Prusiklift am Spifall. Ich packe die Segel in ihre Segelsäcke. Die Sonne ist wunderbar, es ist heiß, 25°C. Kaum zu glauben, was habe ich gefroren. Mit Jeff, dem Inhaber von Shroeder's Yacht Systems, bespreche ich, was die gute Gavdos so bräuchte. Der Windgenerator funktioniert nicht, der Außenborder läuft nicht richtig, die Batterien sind im Eimer. Ein ganz neues Gefühl, Arbeiten machen zu lassen.

Wieder einen Tag später packe ich zusammen, spanne eine Plane über den Baum und eine weitere über das Dingi auf dem Vordeck. Die Liegegebühr hier an Land ist wirklich günstig: 85 Dollar im Monat, in Annapolis waren es 234 Dollar. Tja, und dann ist es auch schon soweit, wie immer geht es bei einem Abschied ganz schnell und man fährt einfach los. Gavdos soll in den nächsten Tagen an Land gekrant werden und ich bin schon auf den langgezogenen Straßen übers Land unterwegs, immer genau den Speedlimits folgend. Ungefähr drei Stunden später komme ich nach Washington Dulles Airport, wo ich jetzt in einer Bar sitze und wo, nachdem ich die ersten deutschen Stimmen in der Warteschlange hörte, diese Reise schon fast zu Ende geht.


Im Sommer 2008 kann ich meinen drei und sechs Jahre alten Kindern endlich ein etwas größeres Boot als Abenteuerspielplatz bieten. Drei Wochen segeln wir auf Gavdos bei meist leichten Winden und großer Hitze, lernen etwas mehr von der 330 km langen und mit einer Küstenlinie von mehr als 4800 km endlos verzweigten Chesapeake Bay kennen. Wir ankern in geschützten Buchten, fangen die ein oder andere Krabbe oder genießen den Luxus in Marinas mit Swimmingpool.

Irgendwann Ende 2008 kam mir der Gedanke, dass die geplante Atlantiküberquerung nächsten Sommer zu zweit viel besser und produktiver sein könnte als allein, wie ich es ursprünglich vorhatte. Ich schrieb Johannes mal eine mail, ob er nicht Lust hätte auch seinen Kreis über den Atlantik zu "schließen" und von West nach Ost zu segeln...


Als wir uns dann im Januar 2009 auf der Bootsmesse in Düsseldorf trafen war die Sache abgemacht!

Text und Bilder copyright Egmont M. Friedl



  

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